Bundesverfassungsgericht – Zinserstattungen ab 2019

Das Bundesverfassungegericht hat mit Beschluss vom 08.07.2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 – die Zinsen auf Steueransprüche und auf Steuererstattungen iHv 6% p.a. als unzulässig beurteilt.

Die Hintergründe
Der Zinslauf für Steuerzinsen bzw. Steuererstattungen beginnt grundsätzlich 15 Monate ab Entstehung der Steuer, ohne dass die Steuer bezahlt bzw. zuviel bezahlt und nicht zurückgegeben wurde.
Bei Nachzahlungen profitiert daher der Fiskus und bei Erstattungen die Steuerzahler.

Sinn dieser Zinsregelung – war! – alle Betroffenen gleichmäßig zu belasten und mit den Zinsen Liquiditätsvorteile auszugleichen, die mit dem Geld erwirtschaftet werden konnten. Die Zinshöhe von 6% gilt bzw. galt seit 1961.

Allerdings ist dieser Zinssatz von 6% weit weg von jeder Realität der aktuellen Kapitalmärkte.
Denn nach der Finanzkrise senkte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins in den vergangenen Jahren immer weiter. Seit 2014 ist der Einlagesatz bei der Europäischen Zentralbank sogar negativ, aktuell minus 0,5 Prozent. Die Banken zahlen deswegen für bei den Notenbanken hinterlegtem Geld Strafzinsen und geben diese – fast flächendeckend – an ihre Bankkunden weiter bei steigender Tendenz.
Das Bundesfinanzministerium hat bis zu dem Beschluss des Gerichts keinen Anlass für eine Korrektur sehen wollen.

Der Beschluss des Gerichts
Vor diesem langandauernden Ungleichgewicht zwischen Realität und steuerlicher Zinshöhe hat das Gericht diesen Zins von 6% rückwirkend ab 2014 als “evident realitätsfern” beurteilt.
Um aber den Staatshaushalt nicht zu sehr zu belasten, hat das Gericht die Korrektur erst ab dem Veranlagungsjahr 2019 angeordnet.
Vorher festgesetzte Zinsen bleiben daher bestehen.
Das Gericht hat weiterhin angeordnet, dass der Gesetzgeber spätestens 31.07.2022 die Zinshöhe neu festlegen muss. Dabei hat es allerdings keine Zinsoberhöhe benannt, der Zins soll aber deutlich reduziert werden.

Was ist konkret zu tun?
Betroffen sind die Veranlagungsjahre ab 2019. Angesichts der unsicheren Rechtslage haben die Finanzämter seit Mai 2019 die Zinsen in den Steuerbescheiden in der Regel nur vorläufig festgesetzt. Da die Steuerbescheide in diesen Fällen noch nicht endgültig sind, kann von Zinserstattungen profitiert werden oder es müssen Rückerstattungen befürchtet werden.
Sollten Zinsen in die eine oder andere Richtung gezahlt worden sein, sollte schnellstens steuerlicher Rat gesucht werden, um die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen.

Weitere Auswirkungen
Das Finanzministerium erwartet erhebliche Steuerausfälle. Bei einer Absenkung auf eine Zinshöhe von 3,5% beispielsweise 30 Milliarden Euro. Das Finanzministerium denkt deswegen über eine Streckung der Neuregelung über zehn Jahre nach. Was allerdings dem Beschluss des Gerichts widerspricht und sicherlich eine neue Klage provozieren würde.
Des Weiteren befürchtet das Finanzministerium eine weitere, erhebliche Auswirkung auf die – steuerliche – Verzinsung von Pensionsrückstellungen. Von alleine wird sich das Finanzministerium nicht bewegen und Klagen abwarten.